Erst RetroFit, dann abheben!
Interview mit Uwe Mühlan, der LTS Nordwest GmbH und Marc Punzert, der TELOGS GmbH
Interview mit Uwe Mühlan, der LTS Nordwest GmbH und Marc Punzert, der TELOGS GmbH
Interview mit Uwe Mühlan, technische Leiter bei LTS Nordwest GmbH und Marc Punzert, Leiter Intralogistiksysteme und RetroFit bei TELOGS GmbH.
Redaktion:
Herr Punzert, im Lager eines europäischen Flugzeugherstellers hatten Sie als Partner des Generalunternehmers LTS Nordwest GmbH in den letzten 12 Monaten ein interessantes RetroFit-Projekt umgesetzt. Wollen Sie uns zum Einstieg den Umfang des Projekts schildern?
Marc Punzert (TELOGS):
Wir waren beauftragt verschiedene Komponenten eines Tablarlagers zu modernisieren. Darunter den Materialflussrechner, vier Regalbediengeräte und eine zweigeschossige Fördertechnik mit insgesamt acht Kommissionierplätzen. Den Materialflussrechner haben wir als Generalunternehmer verantwortet. In der Fördertechnik haben wir das Sicherheitskonzept erweitert und zwei Failsafe SPS´en mit der TELOGS FLOW Software implementiert. Die Barcodescanner und die Bedienpanel wurden durch die aktuellen Baureihen ersetzt und über ein paralleles ProfiSafeNetzwerk angebunden. Eine vorher nicht vorhandene Zugangsmöglichkeit zu den RBG über die Fördertechnik wurde durch eine zusätzliche Bühne zwischen den Geschossen integriert. Dort befinden sich nun die stationären Schaltschränke mit jeweils einer SPS je RBG mit der TELOGS DISTANCE Software. Die dort verbauten Touchpanel und Keypad bilden die Basis des neuen Bedienkonzepts, dass durch MobilePanel ergänzt wird. Im neuen mitfahrenden Schaltschrank ist MoviC Antriebstechnik verbaut. Der Austausch von Antrieben, Energieketten, Stromschienen, Datenlichtschranken, Wegmesslaser, Gesamtverkabelung mit Sensorik, sowie Kamerasystem und neue Lastaufnahmemittel von AFB runden die Kompletterneuerung ab.
Redaktion:
Von welcher Gesamtgröße des Lagers sprechen wir und was waren die Auslöser für das RetroFit-Projekt?
Marc Punzert:
Wir sprechen über rund 17.600 Tablarplätze, wobei das Tablar mit 1000 x 500 mm und 200 kg
Maximallast eine Menge Lagermöglichkeiten und hohe Variabilität bietet. Die Auslöser für RetroFit-Projekte sind in der Regel immer die Gleichen: Eine abnehmende Ersatzteilverfügbarkeit und das Erreichen von Verschleißgrenzen. Darauf basierend sprechen wir über Risikominimierung und den Bedarf der Kunden wieder zukunftssicher zu werden. So war es auch bei diesem Projekt.
Redaktion:
Was würden Sie als Besonderheit bei diesem Projekt beschreiben?
Marc Punzert:
Da gibt es einige zu nennen. Zum einen ist die Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Lagers hervorzuheben, der das Projekt nicht nur ausgezeichnet vorbereitete, sondern uns auch während des Prozesses in jeder Hinsicht unterstützte. Zum anderen sind hier technische Herausforderungen, wie die Inbetriebnahmen der neuen MoviC Reihe, die Entwicklung des neuen Lastaufnahmemittel oder die Modifikation der Bestandstechnik zum regelmäßigen Switchen zwischen neuer und alter Technik zu nennen. Zu guter Letzt aber auch die Konfiguration des neuen Materialflussrechner, die zwischenzeitliche Inbetriebnahme der RBG-Steuerungen mit der bestehenden alten Hardware. Und natürlich waren auch die Rahmenbedingungen vor Ort wieder besonders. Ich denke darauf zielt auch die Frage ab?
Redaktion:
Genau. RetroFit-Maßnahmen sollen ja den laufenden Betrieb möglichst nicht behindern. Das war doch in Ihrem Fall sicher auch so?
Marc Punzert:
Ja, so ist es! Das Projekt wurde in verschiedenen Zeitabschnitten und Umsetzungsphasen vom Juni 2021 bis April 2022 durchgeführt. Unser Umstellungskonzept beinhaltete, dass wir alle Vorarbeiten, Implementierungen und Vortests, ausschließlich an Wochenenden und in Nachtschichten vornahmen. Damit war sichergestellt, dass der Lagerbetrieb in der regulären Betriebszeit zwischen 5:00 und 23:00 Uhr nahezu unbeeinträchtigt weiterlaufen konnte. Wer die Flugzeugindustrie kennt, ahnt vielleicht wie wichtig gerade dieser Aspekt für die Betreiber war. Um so mehr ist die Tatsache hervorzuheben, dass es durch eine intelligente Umlagerungs-Planung des Kunden ermöglicht wurde für Integrationswochen eine Lagergasse komplett frei zu fahren. Die vielen Vorarbeiten und Tests, die integrierten Konzepte und unsere exakte gemeinsame Abstimmung ermöglichte dann den Go-Live mit einem komplett neuen RBG, drei RBG mit neuer Steuerung und alter Hardware, den beiden neuen Fördertechniksteuerungen und dem neuen Materialflussrechner am 24. Januar 2022.
Redaktion:
Herr Punzert, kann man diese Vorgehensweise auf andere RetroFit-Projekte als Standard übertragen?
Marc Punzert:
Das kann man nur teilweise! Jedes Lager, jedes Unternehmen und jede Branche weisen seine eigenen Besonderheiten auf. Übereinstimmung unter den Betreibern besteht darin, dass die Modernisierungsphasen den laufenden Betrieb im Lager möglichst nicht beeinträchtigen dürfen. Unsere Konzepte und Planungen passen sich individuell an die Gegebenheiten vor Ort an. Aus unserer langjährigen Erfahrung mit vielen herstellerunabhängigen Umbaumaßnahmen und den langjährigen Kenntnissen über verschiedenste Lagerbetriebe, finden wir immer die Lösungungsvariante mit dem höchsten Kundennutzen, um eine Umstellung weitestgehend parallel zum weiteren Betrieb umsetzen zu können. Ja, das Thema ist sehr komplex, aber genau dafür gibt es
TELOGS.
Redaktion:
Was war für Sie die größte Herausforderung während der Umstellung des Lagers?
Marc Punzert:
Die Herausforderung war, zum Stichtag, dem Montag um 06:00 Uhr morgens, live zu gehen. Ja, es war alles maximal durchgetestet, es waren keine Komplikationen zu erwarten und wir hätten auch jederzeit wieder auf das alte System zurückgreifen können. Aber natürlich fiebert man dem Termin entgegen und freut sich, wenn das neue System endlich in den produktiven Betrieb geht, man am Feinschliff im laufenden Betrieb arbeiten kann und es dem Kunden dann die Vorteile bringt, für die man es gebaut hat.
Redaktion:
Herr Mühlan, wodurch konnte sich die LTS gegenüber den Wettbewerbern durchsetzen und den Auftrag für das RetroFit-Projekt gewinnen?
Uwe Mühlan (LTS):
Kurz gesagt, wir konnten in dem ausgeschriebenen Wettbewerb das schlüssigste Konzept vorlegen und die ungewöhnlich hohen Anforderungen am besten erfüllen - und das noch zu einer attraktiven Preisstruktur.
Redaktion:
Was hat Sie als Anlagenbetreiber dazu bewegt für das RetroFit-Projekt TELOGS mit an Bord zu holen?
Uwe Mühlan (LTS):
Wir konnten nicht auf den ursprünglichen Hersteller der Anlage zurückgreifen. Hier war die Expertise eines Unternehmens gefragt, dass sehr erfahren darin ist, herstellerneutral zu arbeiten. Zudem brauchten wir die größtmögliche Sicherheit besonders in der Phase des technischen
Umbaus die volle Verfügbarkeit der Anlage sicherzustellen. Da sind die Anforderungen in der
Luftfahrtbranche sehr hoch. TELOGS lieferte hier einfach das beste Konzept: Wir konnten ohne Verfügbarkeitsverlust und ohne Ausfälle umstellen und der Umbau hat bestens funktioniert. Zudem ist für uns der After-Sale-Support elementar. Nach dem RetroFit-Projekt ist die Qualität von Reparaturen, Unter-stützung bei Störung, Instandsetzung, Wartung und Service entscheidend. In den genannten Punkten ist für uns TELOGS ein verlässlicher Partner, der schnell und fachkundig unterstützt.
Redaktion:
Sie sprachen es bereits an: Worin bestanden die spezifischen Projekt-Anforderungen, die sich auf Grund der Luftfahrtbranche ergaben?
Uwe Mühlan (LTS):
Die Luftfahrt ist von Haus aus eine sehr spezielle Branche, insbesondere die hohen Anforderungen an die Qualität der Anlieferung der Bauteile in Bezug auf Beschädigung und Vollständigkeit sind enorm. Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn beschädigte Bauteile in einem Flugzeug verbaut werden. Die LTS Nordwest GmbH ist von der Luft- und Raumfahrtbehörde zertifiziert und damit verpflichtet die hohen Qualitätsanforderungen zu garantieren. Die Anforderungen an die Logistik sind folglich deutlich höher als in anderen Branchen – ähnlich vergleichbar mit den Anforderungen in der Pharmaindustrie.
Redaktion:
Herr Mühlan, was waren für Sie persönlich die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Uwe Mühlan (LTS): Die hohen Kundenanforderungen an die Anlagen- und Lieferverfügbarkeit. Vertraglich zugesichert liegen wir sehr dicht an den 100 %. Das betrifft nicht nur die Flurförderfahrzeuge, sondern auch die technische Anlage in der Halle, ebenso die EDV. Das sind die höchsten Anforderungen, die man stellen kann. Da kann man sich vorstellen, dass ich in der Umbau-Phase unter erhöhter Anspannung stand. Die hervorragende Zusammenarbeit mit TELOGS war für mich auch an der Stelle eine große Entlastung. So fand ich zum Beispiel die eingebaute Interimslösung zwischen Altanlage und der neuen Steuerungstechnik bemerkenswert. Die perfekte und reibungslose Funktion stand nie in Frage. So verstehe ich effiziente Zusammenarbeit zwischen hochprofessionellen Unternehmen.
Ursprüngliche Veröffentlichung 2022